Was liebe ich im Moment am meisten? Welche Themen wollte ich schon immer mal erforschen? Mit wem kann ich meine Vision verwirklichen?
Diese und andere Fragen begleiteten die Künstler*innen unseres artist pools bei der Entstehung eines neuen Festivalformats: dem free flow festival.
Das kuratorische Motto: verfolgen, was die*der Künstler*in für relevant hält.
Das Ziel: Projekte anstossen, weiterführen und erproben, die eine lange Reise in der nationalen und internationalen Kunst- und Musikszene antreten werden.
Über 200 Künstler*Innen aus unserem artist pool hatten wir im Februar dieses Jahres kontaktiert. Wie war es ihnen seit der Pandemie ergangen, wo stehen sie, wo wollen sie hin? Wären sie mit an Bord, um im Sommer 2022 ein Festival anlässlich des fünfjährigen Bestehens von guerillaclassics auf die Beine zu stellen?
Zahlreiche Rückmeldungen erreichten uns, in Brainstorming-Sessions wurden Ideen diskutiert und weitergesponnen. Unsere Rolle dabei: begleiten, mitdenken, Raum geben. guerillaclassics steckt Rahmen ab, die später wieder gesprengt werden.
Mit Künstler*innen aus über 13 Ländern haben wir in den vergangenen Monaten ein einzigartiges Festivalformat entwickelt, in dem kein Konzert dem anderen gleicht, in dem Altes hinterfragt und Neues ausprobiert wird. Die Fragen und Erlebenswelten der Künstler*innen werden vom 14. bis 17. Juli 2022 im Provitreff, am Park Platz, in der Zentralwäscherei und an anderen, überraschenden Orten zu hören und zu sehen sein.
Los geht es Im Provitreff – dem Festivalzentrum – am 14. Juli mit einem musikalischen Ping-Pong aller beteiligten Künstler*innen. In 100-Sekunden-Performances spielen sie sich gegenseitig den Ball zu, lernen sich kennen und gehen aufeinander ein. Im Anschluss arbeiten Mischa Cheung, Simon Bucher, Jonas Häni und Flora Luvualu mit zwei Flügeln, zwei Loop-Maschinen und Gesang an der Erforschung eines technoid-akustischen Klanges zwischen Club-Musik und Konzert-Stimmung.
Am 15. Juli begibt sich Mezzosopranistin Anna Nero gemeinsam mit Sitar-Spieler Thomas Niggli, Perkussionistin Huguette Tolinga, Perkussionist Saliou Kouate und Tänzer Sekou Keita auf die Suche nach dem ganz eigenen Klang – der Stimme, aber auch dem dem «son primaire» dessen, was man aussagen möchte. Im Anschluss findet die Vernissage des visuellen Künstlers Sinzo Aanza statt. Kongolesische Klangarchive bis hin zu Aufnahmen des Kongo-Square in New Orleans werden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, programmiert von Vladimir Petrov, zu einer Sinfonie verarbeitet. Das Werk namens «The Uninterrupted Song for the City» wird durch den Perkussionisten Vinc Glanzmann herausgefordert, unterstrichen und die zum Leben erweckten Archive der teils fast ausgestorbenen Musik live miteinander in Verbindung gebracht. Nach dem installativen Konzert, das im Provitreff bis Samstagabend weiter besucht werden kann, geht das Festival am Park Platz beim Letten in die nächste Runde. Sevdalinke sind bosnische Liebeslieder, die unter dem Einfluss des Osmanischen Reichs im 15. Jahrhundert entstanden sind, performt von Jelena Dojcinovic und Nermin Tulic. Die Tänzer*innen Graciela Martinenz und Neel Jansen versetzen die sehnsuchtsvollen Liebeslieder mit ihrem Tanz in Bewegung.
Zurück im Provitreff kreieren die Soundkünstler OSZILOT, Yangqin-Spielerin Chengyi Wang und Mezzosopranistin Michaela Unsinn am 16. Juli eine hypnotisierende Fusion aus Drone-Musik, chinesischem Folk und zeit-
genössischem Ambient.
Am Abend gestalten tracy september und siavash namehshiri vom Duo Black Pitch zum Thema «Exile
Frequency resonance» einen Raum, der aus den vorgefertigten Strukturen des Zusammenseins ausbrechen wird; eine Listening Session, die sich mit der Dekodierung der Amplituden von Stimmen befasst.
Das Format Car Surprise lädt am 17. Juli dazu ein, aus dem Strudel des Geplanten auszubrechen, sich für drei Stunden auf unbekanntes Terrain zu begeben. Gemeinsam besteigen besteigen wir einen Bus, der uns an verschiedene Orte in und um Zürich bringt. Was wo passiert, welche Klänge, welche Interventionen uns erwarten, bleibt bis zum Schluss eine Überraschung.
Ebenfalls geheim ist das Menü, das am Abend in der Zentralwäscherei gekocht wird. guerillaclassics spannt zusammen mit dem Verein Essen und Zuhören. Der performative Kochworkshop lädt einmal im Monat eine Protagonistin zum Gespräch ein. Frauen der Generation unserer Mütter oder Grossmütter teilen Geschichten
und Einblicke, denen nicht oft genug zugehört wird – die Teilnehmenden kochen, hören zu, reden mit. Wir heben das Zuhören auf die nächste Stufe, kochen nicht nur mit dem Duo GrassBlues, sondern lauschen auch Saadet Türköz' Liedern.