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Drei Musikerinnen im Interview zu Soulfood Delivery

54 Mal haben sich 14 Musiker*innen aus unserem Artist Pool in den letzten zwei Monaten mit ihren Instrumenten auf ihre Drahtesel geschwungen oder ihre Musik gleich zu Fuss vor Haustüren, in Innenhöfe und Gärten geliefert.

Über 1000 Minuten Livemusik haben die Musiker*innen in die entlegensten Ecken von Zürich und anderen Schweizer Städten gebracht – und damit Zuhörer*innen jeder Altersgruppen begeistert. «Das war so schön! Ich bin begeistert. Vielleicht wiederholen wir das wieder», hatte ein Gastgeber nach einer Musiklieferung in einer Email geschrieben – und tatsächlich kurze Zeit später eine weitere Lieferung gebucht. Einmal wurde zum Dank eine Weinflasche vom Balkon abgeseilt, ein anderes Mal liess ein Gastgeber extra fürs Konzert die Nachbarschaft mit Glace von der Gelateria di Berna beliefern. Bach-Suiten mit Himbeer-Ingwer-Geschmack – man könnte sich dran gewöhnen.

Wie haben die Musiker*innen die vergangenen Monate und die Teilnahme am Projekt Soulfood Delivery selbst empfunden? Sopranistin Rosa María Hernández, Mezzosopranistin Michaela Unsinn sowie Cellistin Hyazintha Andrej geben Einblicke in ihre Erfahrungen und Erlebnisse.

 

Wie viele Konzerte habt ihr gespielt?

Rosa: Ich habe acht Konzerte gesungen.

Michaela: Bei mir dürften es zehn gewesen sein.

Hyazintha: Und bei mir so um die 20. Die meisten davon mit Solo Cello, ein paar auch im Duo mit Florian Kolb (Kontrabass).

Was war das besonderste, das lustigste oder seltsamste Erlebnis?

Rosa: Ehrlich gesagt war jedes Konzert besonders. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir das Konzert in der Germaniastrasse. Die Leute dort wollten immer mehr, sie haben applaudiert und wollten, dass ich immer weitersinge. Fast 45 Minuten lang habe ich letztlich gesungen! Aber irgendwann musste ich dem Publikum dann sagen, dass es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr geht (lacht). Daneben gab es von einigen Gastgeber*innen kleine Aufmerksamkeiten wie Blumen und Schokolade. Damit hätte ich nicht gerechnet. Das war wirklich schön.

Michaela: Bei meinem ersten Konzert habe ich für einen älteren Herrn gesungen, der früher in meinem Heimatort an der Schule Lehrer war. Da habe ich mal wieder gemerkt, wie klein die Welt doch ist. Und einmal habe ich meine Schuhe ausgezogen und stand barfuss im Gras. Das hat in dem Moment einfach gepasst – und die Vögel ringsum haben auch miteingestimmt.

 

Welches Konzert hat euch besonders berührt?

Rosa: Einmal wurde ich bei einer Delivery gebeten, ein trauriges Lied zu singen – dabei war das Konzert ein Geburtstagsgeschenk der Gastgeberin. Aber sie hatte einen Tag zuvor einen guten Freund verloren. Deshalb habe ich dann Non ti scordar di me gesungen. Ich habe wirklich mit den Leuten mitgefühlt, das war sehr intensiv.

 

Was wird euch in Erinnerung bleiben, wenn ihr in ein paar Jahren auf das Projekt Soulfood Delivery zurückblickt?

Michaela: Es hat mich erstaunt, wie wohlwollend und zuvorkommend die Menschen waren. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass nicht ich sie mit der Musik beschenke, sondern ich selbst beschenkt werde. Ausserdem war es spannend, so viele unterschiedliche Orte kennenzulernen, die versteckten Gärten hinter den Häuserfassaden, an denen man schon oft vorbeigefahren ist – ohne zu ahnen, was sich dahinter verbirgt.

Rosa: Mein letztes Konzert Ende Mai war sehr speziell, weil ich gemeinsam mit meiner Tochter und einer Violinistin aufgetreten bin. Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht. Ausserdem hatte der Ort – ein lauschiger Innenhof – eine tolle Atmosphäre und Akustik. Zahlreiche Menschen standen auf ihren Balkonen und an den Fenstern und haben uns zugehört und applaudiert.

Hyazintha: Für mich war es besonders zu sehen, wie sehr die Menschen Konzerte oder das gemeinsame Erleben von aussergewöhnlichen Momenten vermisst haben. Ich habe zum ersten Mal erkannt, dass ein Konzert auch einen Rahmen schafft, der nebem Musikhören noch vielen anderen Qualitäten Raum gibt.

Wie habt ihr die Corona-Zeit als Musikerinnen erlebt? Was waren die Herausforderungen, was die Chancen?

Hyazintha: Für mich bestand und besteht die Herausforderung noch immer darin, trotz der momentanen Lage aktiv zu bleiben und mir selbst Ziele zu setzen, die ich über den Sommer hinweg verfolgen möchte.

Rosa: Am Anfang dachte ich, dass es unmöglich sein würde, Konzerte zu geben. Aber dann wurde ich für das Projekt Soulfood Delivery angefragt und habe zahlreiche Konzerte gesungen. Das hat mich überrascht und unglaublich gefreut.

Michaela: Die Coronazeit hatte für mich Gutes und Schlechtes. Einerseits habe ich als Musikerin in gewisser Weise die Bühne verloren, also die Plattform, auf der alles Erarbeitete zu tragen kommt. Natürlich hatte das auch finanzielle Einbussen zur Folge. Andererseits konnte ich auch eine gewisse Ruhe und Musse gewinnen, die ich zum Üben genutzt habe und durch die ich enorme technische Fortschritte erzielen konnte, die in dem Ausmass so schnell bestimmt nicht passiert wären.

 

Was hofft bzw. glaubt ihr, wie es nun mit der Kultur und Musik in den kommenden Monaten weitergehen wird?

Michaela: Es findet gerade ein grosses Umdenken statt. Grosse Projekte müssen aufgeschoben werden, kleinere werden verstärkt ins Leben gerufen. Wir Musiker*innen müssen aufpassen, dass wir uns nicht nur über die Social Media-Kanäle präsentieren und uns sozusagen gratis verkaufen. Ich persönlich habe gar nichts von mir gepostet oder gestreamt. Dafür bin ich nun dabei, meine eigenen Projekte stärker voranzubringen, da ich damit rechne, dass in nächster Zeit nicht sehr viele Konzertanfragen reinkommen werden.

 

Würdet ihr bei einem Projekt wie Soulfood Delivery wieder mitmachen?

Michaela: Immer – sofort – jederzeit!

Hyazintha: Auf jeden Fall! Es war toll an so unterschiedlichen Orten mit auch so unterschiedlichem Publikum zu spielen.

 

Welche Stücke habt ihr am liebsten gesungen bzw. gespielt?

Rosa: Summertime von Gershwin, aus Porgy and Bess, und das Lakmé Duet, das ich zusammen mit meiner Tochter gesungen habe.

Michaela: Ich habe in jedem Programm Après un rêve von Fauré gesungen, da ich mich auch ohne Begleitung sehr wohl gefühlt habe mit dem Stück. Ein weiteres Highlight war Memory aus dem Musical Cats. Die Musical-Stücke sind grundsätzlich sehr gut angekommen und ich bin froh, dass ich mich nicht nur im klassischen Gesang zuhause fühle.

Hyazintha: Ich habe grundsätzlich am liebsten gespielt, wenn ich das Gefühl hatte, die Leute zu begeistern. Das gibt einem so viel Energie zurück.